Rainer Maria Rilke, geboren 1875 in Prag, gestorben 1926 in Montreux, ist vor allem bekannt durch seine großen Gedichtzyklen: die „Neuen Gedichte“, die „Sonette an Orpheus“ und die „Duineser Elegien“. Ganz anders als Franz Kafka verließ Rilke seine Geburtsstadt Prag und lebte in München, Worpswede, Paris, im Wallis. Paris war für R. M. Rilke ab 1902 für mehr als 10 Jahre das Zentrum der künstlerischen Entwicklung. Die Begegnungen mit Auguste Rodin, dessen Sekretär er 1905 wurde, und die Begegnung mit Paul Cézannes Werk stellen die Weichen für sein poetisches Selbstverständnis.
Für Rilke war die Zeit bei Rodin "eine Schule des Sehens". Rilke bewundert Rodins Geduld, die unermüdliche Arbeit und er lernt von ihm. Es handelt sich um "eine der großen Konstellationen" zwischen Dichtkunst und bildender Kunst. Rilkes Arbeitsweise ändert sich: Er beginnt Kunst als langwierigen Arbeitsprozess zu betrachten und nicht als Ergebnis von Mußestunden. Er möchte es nun Rodin gleichtun und so tragen die Neuen Gedichte eine Widmung an Rodin. Seine Entdeckung von Marcel Proust und die Übersetzungen von Paul Verlaine und Paul Valéry zeigen seine intensive Beziehung zur französischen Kultur und Literatur.
In den Briefen an Clara Rilke über die Bilder Cézannes formuliert Rilke eine neue, moderne Auffassung von Kunst. Rilke stellt das entwerfende, konstruktive Potenzial der Kunst heraus. Der Künstler spüre den verborgenen, übergroßen Dimensionen der Realität nach und bringe sie zur Anschauung. „Verwirklichung“ nennt Rilke die Erzeugung und Schöpfung »neuer Welten und Zeiten« in der Kunst und beruft sich auf Cézannes Konzept der réalisation.
Im Chateau de Muzot, im Wallis, vollendete Rilke die Duineser Elegien und schrieb die Sonette an Orpheus. In den Sonetten reflektieren wir den dichterischen Impuls zu Gesang, Sprache, Bild und Rhythmus.